Review - Schuhrotation 24/25
Hinweis: Alle in diesem Beitrag genannten Laufschuhe habe ich selbst gekauft. Es besteht keine Zusammenarbeit oder Verbindung zu Herstellern oder Händlern. Der Beitrag spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider.
Da die Werbeversprechen der Schuhmarken weit außerhalb meiner Testmöglichkeiten liegen und ich auch keine große Menge an verschiedenen Modellen testen kann, werde ich gar nicht versuchen In-Depth Reviews zu verfassen und überlasse dies Experten wie RunRepeat oder ConversationalPace. Stattdessen sollen hier nur Gedanken und Schlüsse zu meiner aktuellen ‘Rotation’ festgehalten werden.
Voraussetzungen
Meine aktuellen Ziele sind Ultramarathons auf Trails oder gemischtem Untergrund und Einheiten über Marathonpace hinaus spielten in der Jahresplanung eine eher untergeordnete Rolle. Daher musste ich mich nicht direkt mit den neuesten Carbonracern beschäftigen. Auf Grund eines leichten Hallux Valgus benötige ich in den meisten Fällen einen breiten Zehenraum. Dazu kommt ein Mittel-Vorderfußlauf, womit ich zu einer niedrigen Sprengung tendiere. Meine vorherige Rotation bestand hauptsächlich aus Nike Schuhe, wobei ich den Pegasus 39 als ‘Daily Trainer’, für Longruns auf Asphalt und für schnelle Einheiten genutzt habe. Auf Trails war ich in dieser Zeit entweder mit dem Terra Kiger 6 oder Wildhorse 7 unterwegs. Für gemischtes Terrain nutzte ich den Pegasus Trail 5 und ab dem Frühjahr 24 den Ultrafly, meinen ersten Carbonschuh. Alle diese Modelle zeichneten sich durch eine geringe Sprengung, eine gute Verfügbarkeit und annehmbare Passform aus. Zuletzt bemerkte ich aber immer öfter, dass ich mehr Freiheit um Zehenraum und auch mehr Dämpfung benötige würde.
Straße, Asphalt, Fester Untergrund
Dieses Jahr ist die Straße und damit Asphalt ein reiner Trainingsuntergrund. Voraussichtlich wird für mich nicht einmal ein kurzer Volkslauf in Frage kommen und auch im nächsten Jahr wird dies nicht großartig anders aussehen. Trotzdem müssen hier viele Kilometer abgearbeitet werden, zum Teil auch über Marathon-Pace hinaus. Außerdem stehen auch immer wieder kurze Phasen mit extrem kurzen V02max-Intervallen à la Tabata an. Aktuelle Performance-Schuhe reizen mich aber einfach nicht, und insgesamt kann auf Trails über Ultradistanzen auf Carbon und Rocker auch guten Gewissens verzichtet werden. Wie oben erwähnt war ich mit dem eher neutralen und leichten Pegasus 39 aber immer sehr zufrieden, weshalb ich auch nicht komplett in die Max-Cushioning-Ecke abdriften wollte. Im Frühjahr ‘24 standen für mich aber vor allem anderen das Läuferknie und der Hallux im Vordergrund. Nicht meine ersten Überlastungsverletzungen und auch nicht das erste Mal ITBS. Neben Volumenreduzierung wollte ich auch mit den Schuhen etwas neues ausprobieren, weshalb ich bei Joe Nimble und den Addict Pro R Modellen gelandet bin.
Asphalt - Joe NimbleR! Addict Pro R
An anderer Stelle habe ich folgendes zu dem Schuh geschrieben:
Wirklich großartiger Schuh. Habe einen leichten Hallux Valgus und der Pro-R Road erlaubt es mir auf Asphalt wieder jede Pace zu laufen. Die Toe-Pilot-Technik kann ich nicht beurteilen, aber ich habe das Gefühl dass meine Form besser geworden ist. Mag aber auch einfach an mehr Selbstvertrauen beim Auftreten liegen. Weiterer Pluspunkt ist die Langlebigkeit in der aktuellen Version, die Vibram Außensohle reibt sich kaum ab und das Upper ist auch sehr resistent, wobei ich bei einem Paar erste Abnutzungserscheinungen bemerke. Negativ ist natürlich das Gewicht zu bewerten, aber für mich kein Ausschlusskriterium. Außerdem sei gesagt, dass die rote Variante schlechter war als die weiße/neongelbe. Zum einen färbte diese bei einem Paar ab und zum anderen führten die Lücken im Vibram zu Rissen im Schaum unter dem Ballen. Das wurde aber gefixt, wie auch die offiziellen Produktbilder zeigen. Bestelle heute meine Paare Nummer 6 und 7, um für Frühjahr und Sommer gerüstet zu sein.”
Mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen. Mittlerweile bin ich mit Paar Nummer 9 unterwegs und noch immer sehr zufrieden. Allerdings kann ich wohl jetzt die Abnutzung etwas besser einschätzen. Die Sohle reibt sich entsprechend der Laufform ab, aber ich habe das Gefühl, dass eher die Dämpfung, also der Schaum die Stelle ist, die zuerst aufgibt. Auf flachem Asphalt merkt man dies weniger, aber in gerade in der Trail Variante merkt man irgendwann deutlich, dass die Stabilität nach innen fehlt und man auf Grund von ungleichem Schaum in eine Pronation abknickt. Auch bei der Asphalt-Variante fühlen sich neue Paare frischer an, ohne dass die optische Abnutzung einen Hinweis darauf geben würde (imho).
Trail
Unter ‘Trail’ fallen natürlich viele verschiedene Arten und Zustände des Untergrunds und auch des Streckenprofils. Da ich wirklich extreme Formen weitestgehend meiden kann, reicht es mir, zusätzlich zu den oben genannten Voraussetzungen, Trails in 2 Typen zu unterteilen: Strecken länger als 20km und Strecken kürzer als 20km . Auch wenn ich mich nicht als langsam bezeichnen würde, so rechne ich bei 30km auf einem ‘echten’ Trail mit signifikanten Höhenmetern und Schotter oder Waldwegen grob mit 3Std Laufzeit. D.h. eher mit einer Marathon- als einer Halbmarathonbelastung, wenn man die reine Laufzeit betrachtet. Erfolgreich testen konnte ich diese Überlegung dieses Jahr auf dem Belgenbachtrail über 30km.
Zu bemerken ist vielleicht noch, dass ich mit meiner aktuellen Rotation so gut wie keine Erfahrung auf nassen und damit rutschigen oder matschigen Trails machen musste. Daher beziehen sich die folgenden Abschnitte nur auf trockene Verhältnisse.
Trail 20+ und Easy - Joe Nimble Addict Pro R Trail
Da ich mit dem Addict Pro R auf der Straße so zufrieden war, war es natürlich naheliegend der Trailvriante eine Chance zu geben. Die für mich spürbaren Unterschiede sind die Vibram-Trailsohle und das etwas stabilere Upper. Natürlich wiegt der Schuh auch nochmal ein paar Gramm mehr, allerdings macht sich dies auf dem Trail für mich nicht bemerkbar. Insgesamt lässt sich auch dieser Schuh bei jeder Pace gut laufen und fühlt sich immer agil genug an um auch technische Waldtrails im Auf- und Abstieg zu überwinden.
Zur Haltbarkeit gibt es zwei Punkte. Erstens ist so gut wie kein äußerer Verschleiß festzustellen. Die Sohle muss bei mir immer wieder aus Asphalt aushalten und zeigt trotzdem keine erhebliche Abnutzung und das Upper sieht aus wie nach dem ersten Lauf. Problem ist, dass leider die Dämpfung, also der Schaum der Zwischensohle, zuerst nachgibt und mich auf konkavem oder konvexem Untergrund in eine Pronation abknicken lässt. Wie bei Hallenschuhen äußert sich so der Verschleiß in Knieschmerzen. Natürlich ist dies besser als ein schneller Verschleiß der Außensohle, wie bei den meisten anderen Schuhen und für weniger empfindliche Körper oder gleichmäßigeren Untergrund erhöht sich die Lebenszeit des Schuhes wahrscheinlich. Allerdings gibt es ein großes und ein kleines ‘Aber’, weshalb ich den Schuh für schnelle oder sehr steile Trails nicht nutzen würde.
Das große ‘Aber’ spricht gegen die Nutzung im Abstieg auf steilen Trails. Da ich empfindlich für Druck auf dem hinteren oberen Mittelfuß bin, also meistens auf den ersten 1-3 Reihen der Schnürung, kann ich Schuhe nicht übermäßig fest binden. Ich trage Schuhe nicht locker, aber es gibt einen relativ kleinen Sweetspot in der Festigkeit der Schnürung. Zusätzlich führt der breite Zehenraum des Addict Pro R dazu, dass der Vorderfuß weniger Lockdown hat als ein regulärer Schuh. Auch hier sei gesagt, dass der Schuh sich nicht locker anfühlt oder bei normalem Schritt wackelt. ABER wenn harte Bremskräfte von vorne auf den Schuh wirken, drückt es den Schuh nach hinten und den Fuß nach vorne. Im steilen senkrechten Abstieg ist das natürlich permanent der Fall und kann in meinem Setup ziemlich gefährlich werden, da der Schuh mitunter komplett verrutscht und ein sicherer Schritt nicht mehr gegeben ist. Dies ist mir zum ersten Mal beim Rureifeltrail über 44km passiert, als mich in der Verfolgung zu einem extrem schnellen Abstieg habe verleiten lassen. Ich würde den Schuh auf der Strecke trotzdem wieder verwenden, da eine solche Geschwindigkeit auf dieser Distanz für mich nur kurz machbar ist und man die Energie genauso gut an anderer Stelle verblasen könnte. Für alles was durchgehend schnell gelaufen werden soll ist der Schuh für mich aber dadurch nicht geeignet und vermutlich auch nicht auf langen sehr technischen Strecken, auf denen ich aber bisher null Erfahrung habe.
Das zweite und kleinere ‘Aber’ ist schlichtweg die Existenz von schnelleren und spaßigeren Schuhen. Mein Favorit ist hier der Terra Kiger, welcher über kurze Distanzen bis ca. 20km einfach mehr Spaß macht. Zurzeit benutze ich allerdings einen echten Superschuh:
Trail bis 20k und Tempo - adidas TERREX AGRAVIC SPEED ULTRA
Energy Rods, leichte Plastikkonstruktion, ein ziemliches Monster. Wenn ein normaler Trailschuh ein Mountainbike ist, dann ist der Agravic Speed Ultra ein Gravelbike. Nicht wirklich bequem, im Abstieg nicht stabil oder besonders kontrollierbar, aber immer super schnell. Habe den Schuh nur auf Grund der Review von Conversational Pace gekauft und eigentlich ist er für mich das völlig falsche Modell und funktioniert auch nicht richtig. Die innere Konstruktion lässt meine Socken verrutschen und ich bekomme Blasen am medialen Längsgewölbe. Dazu kommt, dass die Außensohle nicht sonderlich haltbar ist. Macht trotzdem Spaß und wenn eine Version 2 kommt, bin ich wieder dabei. Eventuell lässt sich der Sockenproblematik mit Kompressionssocken entgegenwirken…
Honorable Mention - Nike Ultrafly
Nicht mehr in meiner Rotation, da ich entweder Gas geben will oder so viele Rennkilometer wie möglich in meinen Ultraschuhen sammeln möchte. Macht für mich fast nichts besser oder schlechter als der Addict Pro R Trail, kostet aber mehr. Anstiege mit festem Untergrund (z.B. Asphalt) fühlen sich allerdings sehr gut an. Könnte an der Platte oder am leichten Rocker liegen. Leider ist die Sohle nicht sehr haltbar und er ist zu teuer um ihn zu verheizen. Auf langen Gravelstrecken mit zu vielen Höhenmeter für reine Straßenschuhe aber durchaus immer eine Überlegung wert.